Habe mir überlegt, was ich Dir aus meinem Arbeitsalltag erzählen könnte. Da kam mir so leise von der Seite ein kleiner Gedankenabstecher in meine Vergangenheit in den Sinn.
Erzählt habe ich ja schon über meine Anfänge, darüber, wie wir in unserer Lehrzeit an die Verarbeitung der verschiedenen Aufträge der Kunden herangeführt wurden. Einst wurden wir zuerst einmal in die Arbeitstechniken die von Hand erledigt werden mussten eingeführt. Stundenlang saßen wir an unseren 8ter Tischen, 4 rechts 4 links und waren damit beschäftigt, erste Anproben vorzurichten. Eine mühselige Arbeit, die mit dem Durchheften mit Heftfaden begann (das war zum bezeichnen der unteren Seite), nach dem auseinander ziehen der beiden Schnittteile wurde der Heftfaden dazwischen aufgeschnitten. Dann folgte das zusammenheften der Teile, damit das Kleidungsstück anprobiert werden konnte.
So war der Ablauf einst in der Maßschneiderei, wo wir Lehrlinge oft den ganzen Tag damit verbrachten diese Vorarbeiten für eine Anprobe zu erledigen. Du kannst Dir denken, dass dies oft nicht so das war, was wir uns so vorstellten. Doch wenn ich heute so zurückblicke, bin ich sehr froh diese Erfahrung gemacht zu haben.
Jahre später als ich schon mein eigenes Atelier hatte, habe ich durch ständiges dazu lernen die Arbeitsabläufe optimiert und mir meine Art der Verarbeitung in ständigem üben so zurecht gelegt, dass viel Zeitersparnis in der Herstellung entstanden ist. Sicher, letztendlich verteilt sich mancher Ablauf und der Hauptzeitaufwand steckt mehr am Anfang, also sozusagen in der Schnitterstellung. Dies gleicht sich jedoch im Fertigungsprozess wieder aus.
Heute gehe ich her, wenn ich zum Beispiel Teile für eine Modenschau entwerfe, dass ich diese erst mal aus einem Nessel oder einem alten Stoff herstelle, um meine Schnittführung zu überprüfen, ob die Weite und Länge stimmt, probiere Ärmel und Krägen ob diese meinen Vorstellungen entsprechen. Wenn dann alles zu meiner Zufriedenheit auf der Schneiderpuppe oder wenn es möglich ist am Model probiert ist, dann kommt die Feinarbeit, der letzte Schliff den der Schnitt noch braucht. Natürlich kommt es beim richtigen Stück auch vor, dass noch eine kleine Korrektur fällig ist, so ging es mir zum Beispiel bei der Herstellung meines schwarzen Mantels.
Doch heute erzähle ich Dir die Geschichte von Tantchens Jacke. Im August besuchte mich meine Tante, Sie war noch nie in meinem jetzigen kleinen Reich, indem ich nun schon 6 Jahre wohne. Meine große Werkstatt musste ich aufgeben und war zuerst einmal völlig am Boden zerstört, dass ich nun keinen Arbeitsplatz mehr habe. Nach einigen Monaten und viel Hirnschmalz, welches ich verbraucht habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich noch nicht reif für die „Insel“ bin. Ich fing an, meine Kunden zu Hause zu besuchen und so habe ich mir Stück für Stück wieder meine Aufträge beschafft. Dies war nun vor ca. 8 Jahren. So baute ich mir dann wieder mein Atelier auf, allerdings nur noch im kleinen exklusivem Rahmen. Das heißt für mich, dass ich mich meiner erlernten Tätigkeit widme der Maßschneiderei.
Nun kam Tantchen zu Besuch und ich zeigte Ihr meine Teile, die auf den Laufsteg am 22.September kommen sollten. Da hing sie dann, die Jacke im Chanel-Stil und Tante war hin und weg. Am liebsten hätte Sie das Einzelstück gleich mitgenommen, doch dies konnte ich nicht zulassen. Daher habe ich ein Teil, welches schon Schnitt technisch total abgerichtet war, ein zweites Mal aus dem gleichen Stoff hergestellt.
Du denkst jetzt sicher, das ist doch ein ganz normaler Vorgang, dass mehrere Teile aus ein und dem selben Stoff, mit dem gleichen Schnitt hergestellt werden. Ja das ist es in der Konfektion, aber nicht in der Maßschneiderei. Und darum geht es bei unserem kleinen exklusiven Handwerk und das sollten wir behüten, damit es nicht wie so viele Handwerksberufe verschwindet. Wie Du Dir dies erschaffen kannst, erzähle ich im Lauf der Zeit. Ach fast hätte ich es vergessen, die neue Jacke ist am Samstag per Post bei der Tante angekommen.
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„Privatier“
Bin noch immer nicht in meinem inneren dazu bereit, mich wieder stundenlang mit der Herstellung von Kleidungsstücken zu befassen. Manchmal denke ich, dass mir das gewisse Begeisterungsgefühl für meinen Beruf fehlt. Doch diese Gedanken schiebe ich dann ganz schnell zur Seite. Ich möchte mit diesem Beitrag nicht meinem Beruf eine Absage erteilen, nein, ich bin mit Leib und Seele Maßschneiderin. Und wenn es für Dich der Traumberuf ist, freut es mich sehr. Lebe Deinen Traum und werde die oder der Beste, dann wird sich der Erfolg auch einstellen.
Mit meinem heutigen Beitrag möchte ich einfach mal aus der Sicht einer älteren Generation berichten. Wie schon in den letzten Beiträgen zu lesen war, habe ich an einer Modenschau teilgenommen. Wir waren eine bunte Truppe unterschiedlichsten Alters. Da konnte ich einmal wieder so meine Studien betreiben, wer sich was so vorstellt. Für mich selbst steht fest, es war das letzte Mal, dass ich mir diesen Kraftaufwand zumute.
Ich sehe die Dinge einfach etwas realistischer, als manch einer von unserer Zunft, denn die große Zeit der Maßgefertigten Kleidungsstücke, die noch von Kunden bestellt werden, hält sich sehr in Grenzen. Unser Berufsstand wird immer mehr von den großen Konfektionsfirmen ins Aus gedrängt, Kleidung hat heute nicht mehr den Stellenwert wie vor Jahren. Heute ist alles kurzlebig und schnell, dies vereinbart sich nicht mit einem handwerklichen Produkt. Kunden die früher beim Maßschneider die neuesten Kreationen aus Paris nacharbeiten ließen, fahren heutzutage mal kurz selbst nach Paris, oder Mailand und kaufen bei den großen bekannten Designern ein. Ob das Kleidungsstück für die Figur der Kundin passt, das ist eine andere Sache, das Label ist wichtig.
Daher habe ich mal die rosarote Brille abgenommen und mich auf heute bei der Modenschau konzentriert. Wir hatten tolle Teile, doch gibt es die Kundin dafür? Rein rechnerisch, wenn Material und Arbeitszeit verrechnet wird, überlegt sich manch eine Kundin die Anschaffung einer Maßanfertigung. So gab es viele Kleinigkeiten die von den verschiedenen Altersstufen unterschiedlich gesehen wurden. Manchmal passte es in den Zeitstrahl von heute und manchmal war es einfach gestern.
Was stellt sich der Kunde/in heute unter einer Schneiderei vor, hier kommt die Antwort;
das Telefon läutet und der Anrufer fragt: bin ich hier richtig bei der Änderungsschneiderei ……….. Das sucht der Kunde heute, die Änderungsschneiderei, die mal eben einen neuen Reißverschluss dem Anorak verpasst, die zu langen Hosen- oder Jackenärmel kürzt usw. Nicht dass Du jetzt denkst, die ist wählerisch. Ich habe mit Änderungen überhaupt kein Problem, denn dies sind die Arbeiten, welche uns die finanziellen Lücken schließen. Das Problem liegt wo anders, es liegt in der Denkweise von heute.
Schneider war ein angesehener Beruf, den hauptsächlich Männer ausübten. Das lag daran, dass es noch keine Konfektion gab. Wer einen Anzug brauchte, dem blieb der Weg zum Schneider nicht erspart. In meiner langjährigen Selbstständigkeit habe ich vor Jahren noch diese alte Garde von Kollegen getroffen, die für Firmenchefs usw. arbeiteten. Einmal war auch eine besondere Koryphäe aus dieser Zeit dabei, es war der private Schneider des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Man konnte von diesen Kollegen sehr viel an Verarbeitungstechniken lernen und kam immer neu inspiriert von einem Seminar nach Hause.
Es ist oft frustrierend, wenn ein erlerntes Handwerk mit einer 3-jährigen Lehrzeit auf eine untere Stufe herab gedrängt wird. Früher musste man noch mindestens 3 Gesellenjahre darauf packen, um den Meistertitel zu erlangen. Heute erfolgt der nächste Brief im Anschluss an die Gesellenprüfung. Dafür kann aber der Geselle nichts, Er macht nur das, was angeboten wird. Es war die Politik die uns vor mehr als einem Jahrzehnt in diese Nebenrolle gedrängt hat.
Von meiner langjährigen Zusammenarbeit mit der Konfektion, wo ich 2 bis 3 mal jährlich Musterteile erstellt habe, weiß ich, wie gut die Verarbeitung der Teile war. Um dies zu erreichen, reicht nicht mal eben ein Schnellkurs in Sachen nähen. Darum ist mein Anliegen, die Grundlagen der Maßschneiderei euch ein wenig näher zu bringen. Denn es gibt vieles, was zu einer guten Verarbeitung und Passform dazu gehört.
Genäht habe ich nun schon Jahrzehnte lang und tue es immer noch, wenn auch in eingeschränktem Maß. Jetzt kannst Du Dich bei mir informieren, wenn sich die Probleme nicht lösen lassen bei der Herstellung eines Kleidungsstückes.
Zum Schluss habe ich noch eine Frage an Dich: Wie kommst Du zu den Schnitten, kannst Du Schnittzeichnen? Oder benutzt Du einen Fertigschnitt.
Schreib mir, wie Du es machst.
Bis bald
EdithF
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